Formatierte Sportwissenschaft

Volker Schürmann
Formatierte Sportwissenschaft. Blog-Beitrag GR80

Dieser Beitrag ist erschienen in:
Swen Körner / Volker Schürmann (Hrsg.):
Reflexive Sportwissenschaft – Konzepte und Fallanalysen
(Reflexive Sportwissenschaft, Band 1)
Berlin: lehmanns media 2015, S. 145-156.

Formatierte Sportwissenschaft

Volker Schürmann

Georg Rückriem zum 80. Geburtstag

Im Folgenden soll skizziert werden, was eine reflexive Sportwissenschaft im Rahmen einer Tradition dialektischer Philosophie sein könnte. Dabei kommt es nicht weiter darauf an, was genau dabei mit »dialektisch« gemeint ist (vgl. dazu Holz 2011, Stekeler-Weithofer 2010). Das Wort taucht im Folgenden auch gar nicht mehr auf. Es dient hier bloß als Hinweis auf eine bestimmte Traditionslinie, die mit der Philosophie des Kantianers G.W.F. Hegel und einigen junghegelianischen Anschlüssen verbunden ist. Systematisch zeigt sich das Dialektische im Folgenden in dem entspannten Verhältnis zu Widersprüchen, die in einer bestimmten Hinsicht, nämlich in der Gestalt von Antinomien, für grundlegend gelten. Selbstverständlich aber hat diese Hinsicht nichts damit zu tun, das Verbot von formallogischen Widersprüchen bezweifeln oder auch nur relativieren zu wollen.
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Garten-Kunst. Natur, Gesellschaft, gegenständliche Tätigkeit

Hanns-Werner Heister
Garten-Kunst. Natur, Gesellschaft, gegenständliche Tätigkeit

in: Druckfrei Fest-Geschrieben. Für Georg Rückriem zum 80. Online-Festschrift https://gr80.wordpress.com

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Fotos: Hanns-Werner Heister

Vorbemerkung des Verf. am 22.9.14

Der Beitrag ist zwar umfangreich, aber noch nicht so fertig, dass er schon hergezeigt werden könnte. Ich musste mir selber erst einmal den Gegenstand zurechtlegen, und ihn möglichst von allen Seiten und vielseitig ansehen und wissenschaftlich behandeln. Ein festes, vorweg definiertes „Ziel“ habe ich beim Forschen selten, also auch hier nicht. Ebenso bilden sich Gegenstand und Thema profilierter erst im Verlauf des Forschungsprozesses heraus. In Umrissen sind sie das, was mit dem Spannungsverhältnis Nützliches – Schönes – Angenehmes im Zusammenhang Garten umrissen ist, und das noch spezifiziert im Hinblick auf das Verhältnis von ‘menschlicher Natur’ zu ‘äußerer’ Natur. ‘Tätigkeit’, die durchgängig als Vermittlung eine Rolle spielt, ist als zusätzliche Teilthematik eine Reverenz vor dem Jubilar; daher auch die Betonung des „Kinder-Gartens“ und der Urban-Gardening-Aktivitäten.

Da Garten samt Agrikultur, Gartenkultur und Gartenkunst in Gegenwart und Geschichte sowie aktuelle globale Tendenzen, Entwicklungen und Bewegungen im städtischen Raum zwischen Guerilla-Gardening und Gentrifizierung nicht zu meinen „Kernkompetenzen“ als Musikwissenschaftler, Germanist und Linguist gehören, nahm die Aneignung des Materials und seine Aufbereitung so viel Zeit und Raum ein, dass die theoretische Aufarbeitung und gedankliche Durchdringung öfter im Dickicht der Empirie steckenblieb. Der Text kam zwar mit seiner Seitenzahl fast der Zahl der Jahre des Jubilars nahe. Aber er ist einerseits dennoch zu kurz, um alle Facetten der Thematik angemessen zu behandeln, andererseits zu lang für alle, die nicht sämtliche Motive zwischen „Aha“-Graben und Zoo-Vorläufer kennenlernen und nicht jedem der manchmal gewundenen, ja labyrinthischen Gedankengänge folgen wollen. Da es viel zu viel und vieles zu wenig durchgeführt ist, wird der Verf. also beschneiden und tiefer graben, den Text kürzen und erweitern – so bald wie möglich.

Das folgende Inhaltsverzeichnis gibt zusammen mit den Photos einen gewissen Vorgeschmack auf das Ganze. Es bezieht sich auf den derzeit vorhandenen Text. Es wird, wie dieser, in absehbarer Zeit noch modifiziert, reduziert und intensiviert werden.
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Menschliche Natur – Möglichkeiten und Grenzen eines Begriffs

Friedrich Tomberg
Menschliche Natur – Möglichkeiten und Grenzen eines Begriffs

Vor mehr als 30 Jahren hat Georg Rückriem einen Sammelband herausgegeben, der der Frage nach der menschlichen Natur aus der Sicht des historischen Materialismus gewidmet war. Rückriems 80. Geburtstag ist ein guter Anlass zu Rückschau und Besinnung.

Der Begriff ist bei Marx zentral, wurde im Marxismus jedoch eher gemieden. Heute findet er sich häufig im Rahmen der Evolutionstheorie, Soziologie etc. Auf Seiten der philosophischen Anthropologie dürfte er in der Regel mit dem der „Natur des Menschen“ austauschbar verwandt werden. Der methodische Ansatz des historischen Materialismus wäre von vorneherein verfehlt, wenn hier nicht präzis unterschieden würde. Kurz gesagt: „Menschliche Natur“ geht von der Natur aus und richtet den Blick von da aus auf den Menschen. „Natur des Menschen“ hingegen läßt die Vorstellung des individuellen Menschen als einer auch gegenüber der Natur eigenständigen Entität zu, die in ihrem Inneren sich in etwas gründet, was im eingeführten Sprachgebrauch als Wesen oder Substanz oder mit ähnlicher Bedeutung eben auch als Natur benannt werden kann.
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Erst kommt das Zahnweh, dann die Einsicht

Erst kommt das Zahnweh, dann die Einsicht
Für meinen verehrten Kollegen Georg Rückriem zum 80sten
Von Rainer Winkel – zwischen Berlin, Essen und Wangerooge

Ein Mensch in seiner Tätigkeit
und kulturellen Heiterkeit
warf plötzlich Hammer, Stift, PC
weg – wegen Zahnesweh.

Es pochte, zog, stach und riss
schlimmer als ein Tigerbiss;
der ganze Kopf schien gleich zu platzen,
die Ohren pressten feuchte Tatzen,

sogar die Augen quollen raus,
da lief der Arme aus dem Haus
und rannte in die UdeKa –
schon war er da, fürwahr, na klar!

Ein Seminar ward’ schnell besetzt,
Herr Erdmann hat auch nicht gepetzt,
dass über Leontjew wurd’ gelehrt
und Wissen sich sogleich vermehrt.

Die Studiosi lauschten stumm
und waren ganz und gar nicht dumm:
Sie nickten, grübelten und überlegten,
so dass sich ernste Fragen regten.

Die beglückten unser’n Meister,
weckten alt’ und neue Geister,
führten ihn zu scharfen Thesen,
man kann sie bald world-wide lesen.

Entscheidend aber ist der Satz:
Wenn der Schmerz haut vor den Latz,
werde tätig, stante pede,
das gilt für Rückriem, Faust und bede!

(„Ebend!“ – „Ährlich!!“ – „Moin – Moin!!!“)

P.S.: Mitunter glaub’ ich, wie ein Kind,
dass alle Menschen menschlich sind.
Jedoch, das ist zumeist nicht so,
worüber manche/r wird recht froh –

nicht aber
r.w. & g.r. > sowieso!

AM 27.9.2014 fahren LyRa Winkel zwar nicht mit dem „NACHTZUG NACH LISSABON“, wohl aber mit dem Airbus …

Relationstheoretische Forschung in der Transformationsgesellschaft: Zur Differenz zwischen Einzelwissenschaft und Philosophie

Relationstheoretische Forschung in der Transformationsgesellschaft: Zur Differenz zwischen Einzelwissenschaft und Philosophie
Ortfried Schäffter

In Anschluss an Lambert Wiesing wird der Unterscheidung zwischen Einzelwissenschaft und philosophisch kategorialer Grundlegung besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wiesing verdeutlicht die wissenschaftstheoretisch höchst problematische Trennung sehr anschaulich an der Differenz zwischen Bildwissenschaft (als substantialistisch gefasste Gegenstandsbestimmung) und Bildtheorie (als ihre kategoriale Grundlegung). In Anschluss an die Begründungen einer solchen Arbeitsteilung wird hier die Position vertreten, dass eine im Positivismus üblich gewordene und an sich bereits höchst problematische Trennung im Kontext einer transformativ dynamischen Weltgesellschaft nicht mehr haltbar ist.

Wiesings Begründung für die Funktionalität einer arbeitsteiligen Trennung zwischen einer gegenstandsbasierten und somit substantialistisch gefassten Einzelwissenschaft einerseits und ihrer kategorialen Grundlegung in einem von der Einzelwissenschaft ablösbaren philosophischen Bezugssystems andererseits erweist sich aus grundsätzlichen wissenschaftstheoretischen Überlegungen als höchst anfechtbar. Zur Verdeutlichung einer systematisch ansetzenden Zurückweisung wird auf die Position von Georg Rückriem[1] zurückgegriffen, der unter Bezug auf Leont’ev den integralen Zusammenhang von Philosophie, Methodologie, Einzelwissenschaft und Methoden hervorhebt.

Gegenstandsbestimmung muss sich daher auf einem logisch übergeordneten Niveau bewegen und die Relation zwischen substantiell fassbarer Gegenstandsbestimmung und den sie ermöglichenden kategorialen Voraussetzungen als ein “epistemisches Objekt” fassen. Diesen Prozess einer relationalen Aussteuerung zwischen Figur und Grund beschreiben wir methodologisch als “Gegenstandskonstitution” und operationalisieren ihn in sechs Schritten eines Algorithmus zur relationstheoretisch geführten Konstitution eines disziplinären Forschungsgegenstands, Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass sich Gegenstandskonstitution nun auf der Relation zwischen Figur und Grund bewegt, das heißt in der Form, wie die inhaltlich substantielle Begrifflichkeit mit den eben diese erst ermöglichenden Kategorien ins Verhältnis gesetzt werden. Nur das verdient schließlich, als eine „Relationstheoretische Gegenstandskonstitution“ bezeichnet zu werden.

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Das gesellschaftliche Subjekt in relationstheoretischer Deutung

Das gesellschaftliche Subjekt in relationstheoretischer Deutung[1]
Ortfried Schäffter

Auf der Grundlage eines systematisierenden Exzerpts zu:
Holodynski, Manfred/Rückriem, Georg/Seeger, Dorothee (1986): Menschliche Subjektivität und Individualität als Problem der materialistischen Wissenschaft. In: ZSE, 6.Jd., 1986, Heft 1, S. 47-69

Der in diesem Diskussionspapier relationstheoretisch ausgewertete Aufsatz[2] geht von einer marxistischen Problemstellung in Bezug auf das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft aus. Aus einer historisch-materialistischen Verhältnisbestimmung heraus wird der Stellenwert sowohl der Subjektkonstitution als ein autonomes Individuum (Individuation) als auch des Sozialisationsprozesses in Richtung auf seine „Gesellschaftlichkeit“ untersucht. Auf der Grundlage der relationstheoretischen Ausgangsfrage bei Marx werden im ausgewerteten Text drei konzeptionelle Antworten vorgestellt und in ihrer relationslogischen Figuration gedeutet:

  • Subjektivität als Produkt der gesellschaftlichen Verhältnisse bei Seve
  • Subjektivität als gesellschaftlich determiniertes Triebschicksal bei Lorenzer
  • Subjektivität als erweiterte Handlungsfähigkeit bei Holzkamp
  • Subjektivität als gegenständliche Tätigkeit bei Leontjew

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Potenziale des Lernens potenzieren: (Kunst) Studieren als forschendes Lernen

Potenziale des Lernens potenzieren: (Kunst) Studieren als forschendes Lernen
oder Wie das Lernen lernen lernt (‘LLL’), gelernt hat und weiter lernen kann.[1]
Johannes Werner Erdmann

„Setze den Menschen als Menschen und sein Verhältnis zur Welt als ein menschliches voraus, so kannst du nur Liebe gegen Liebe austauschen, Vertrauen nur gegen Vertrauen etc. Wenn du Kunst genießen willst, mußt du ein künstlerisch gebildeter Mensch sein; wenn du Einfluß auf andre Menschen ausüben willst, mußt du ein wirklich anregend und fördernd auf andere Menschen wirkender Mensch sein.“ [2]
Karl Marx

Nach zwei Tagen „Achtsamkeit“[3] lautet mein erstes Urteil, wenn ich ganz am Ende dieser Tagung zum ‘Potenzial künstlerischer Lehre’ und im Sinne des sechsten und letzten Themenblocks ‘Ordnen – Aufzeichnen – Reflektieren’ meine ‚Aufzeichnungen ordnend reflektiere’: Mit großer Dankbarkeit und Gewinn durfte ich hier in Sachen künstlerischer Lehre persönlich als Wissenschaftler und künstlerisch interessierter Laie viel lernen über den spezifisch künstlerisch-fachkulturellen Umgang mit hochschuldidaktischen Herausforderungen im Rahmen der Lehrerbildung. Ich vermute allerdings, es geht Ihnen allen als Fachleuten auf dem Gebiet der ästhetischen bzw. künstlerischen Bildung ähnlich.

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Arbeit an Natur und Kultur

Foto: Georg Rückriem

Foto: Georg Rückriem

Das Foto im Header zeigt ein Stück von Georg bearbeiteter Natur:  Es ist ein Blick auf den Zaun (im Werden), den er vor einigen Jahren aus Elementen seines Waldes am Kotten um eben diesen Wald herumbaute.
Nicht nur, weil viel Grün auf dem Foto zu sehen ist, erinnert es mich an das
Grüne Buch
Während man auf dem Foto Georg als Landschaftsgärtner “sieht”, kennt man ihn vor allem als Bewusstseinslandschaftsgärtner.
Die Begegnung mit Georg war für mich Ende der 70er Jahre zunächst eine Begegnung mit dem Grünen Buch und mit dem aufregenden Thema des Verhältnisses von Natur und Kultur und des Menschen als Schöpfer seiner selbst.
(Beiseite gesprochen: Da kommt man ja nie wieder von los, wenn man einmal damit angefangen hat.)

Mein Grünes Buch

Mein Grünes Buch

 

Ungefähr 40 Jahre und etwa ebenso viele wichtige  Buchempfehlungen durch Georg über Medien, Lernen und Gesellschaftstheorie  später bin ich wieder bei der menschlichen Natur angelangt mit der Lektüre von Merlin Donalds großartigem Buch
A Mind So Rare (“Triumph des Bewusstseins” ) – natürlich eine Empfehlung von Georg:

transformation

 

 

Lisa Rosa